Evolution

Landgang: Warum brauchten die Pflanzen so lange?

Instabile Ozonschicht könnte „grüne“ Besiedlung der Landmassen verhindert haben

Landpflanze
Erst mehr als zwei Milliarden Jahre nach der Entwicklung der Fotosynthese gab es die ersten Landpflanzen – aber warum? © Romolo Tavani/ Getty images

Rätselhafte Verzögerung: Geologen könnten herausgefunden haben, warum Pflanzen sich mehr als zwei Milliarden Jahre Zeit mit ihrem Landgang ließen. Demnach „warteten“ die Pflanzen auf die passenden Umweltbedingungen – vor allem darauf, dass sich die Ozonschicht ausreichend stabilisierte, um sie vor schädlicher UV-Strahlung zu schützen. Zuvor könnten hohe Iod-Konzentrationen in der Atmosphäre dies verhindert haben, wie das Team berichtet.

Alles Leben auf der Erde ist im Wasser entstanden und hat erst nach und nach auch das Land für sich erobert. Manche Lebewesen haben sich damit allerdings überraschend viel Zeit gelassen, darunter die Pflanzen. Während wasserlebende Cyanobakterien bereits vor 2,7 Milliarden Jahren die Fähigkeit zur Fotosynthese entwickelt haben, gibt es Landpflanzen erst seit 450 Millionen Jahren. Aber warum haben Pflanzen über zwei Milliarden Jahre gebraucht, um den Landgang zu wagen?

Ozonschicht im Verdacht

„Die einzige bisher existierende Erklärung besagt, dass diese Verzögerung ein wesentliches Merkmal der Evolution sei – dass eine enorme Zeitspanne erforderlich sei“, sagt Seniorautor Noah Planavsky von der Yale University. Man folgt dabei also quasi dem Motto „So lange wie es dauert, dauert’s eben“. Doch warum war diese langwierige Evolution dann ausgerechnet vor 450 Millionen abgeschlossen? Gab es zu dieser Zeit womöglich einen konkreten Auslöser, der den Pflanzen schließlich den Startschuss für die Besiedelung der Landmassen gab?

Planavsky, Erstautor Jingjun Liu und ihr Team haben dafür die stratosphärische Ozonschicht im Verdacht. Sie dient unserem Planeten als Schutzschirm gegen die energiereiche UV-Strahlung der Sonne. In großen Mengen führt diese Strahlung zu irreparablen Zellschäden. Daher könnte ohne schützende Ozonschicht so gut wie kein Leben an Land existieren. Die Etablierung einer stabilen Ozonschicht gilt damit auch als wichtige Voraussetzung für die Entwicklung des ersten komplexen Landlebens – einschließlich der Landpflanzen.

Hohe Iod-Konzentration prägte die Vergangenheit

Bislang ging man davon aus, dass sich die Ozonschicht bildete, sobald sich in unserer Atmosphäre genug Sauerstoff angesammelt hatte. Denn Ozon (O3) entsteht durch die chemische Reaktion zweiatomiger Sauerstoffmoleküle (O2). Doch dass genügend Ozon-Bausteine vorhanden waren, war noch kein Garant für eine stabile Ozonschicht, wie Liu und seine Kollegen argumentieren.

Denn es gibt auch Gegenspieler der Ozonschicht, darunter „Ozonkiller“ wie Iod. Das Halogen wirkt als Katalysator, der bei Kälte und unter dem Einfluss von Sonnenlicht ozonabbauende Reaktionen fördert. Und: „Mehrere unabhängige geologische Beweise sprechen für ein größeres Reservoir an gelöstem Iod (insbesondere höherem marinem Iodid) in der Vergangenheit im Vergleich zu heute“, schreiben die Forschenden. Demnach war die atmosphärische Iod-Konzentration in der Frühzeit der Erde mindestens fünfmal höher als heute.

Ozonschicht war lange instabil

Liu und sein Team haben nun mithilfe eines Atmosphärenmodells ermittelt, wie sich dieser hohe Iodwert einst auf die noch junge Ozonschicht ausgewirkt haben könnte. „Unsere photochemischen Berechnungen deuten darauf hin, dass selbst ein mäßiger Anstieg der anorganischen Iod-Emissionen aus dem Meer zu einem Ozonabbau in der gesamten Atmosphäre um das Zehn- oder sogar Hundertfache im Vergleich zu den heutigen Werten führen könnte“, berichtet Planavsky.

Dieser verstärkte Ozonabbau hätte dafür gesorgt, dass die Ozonwerte vor 2,4 Milliarden bis vor 500 Millionen Jahren instabil und zumindest zeitweise zu niedrig waren, um die Erdoberfläche ausreichend vor UV-Strahlung zu schützen, wie das Team erklärt. Erst nach dieser Zeit konnte sich die Ozonschicht nach Ansicht der Forschenden so weit stabilisieren, dass sie aus den zuvor UV-belasteten Landflächen einen sicheren Lebensraum machte.

Landgang Abfolge
Zeitliche Entwicklung von Cyanobakterien, Eukaryoten, Landtieren und Landpflanzen im Vergleich © Planavsky et al./ PNAS, CC-by-nc-nd 4.0

Pflanzen „warteten“ auf den richtigen Moment

Das wiederum könnte auch erklären, warum sich die Landpflanzen so viel Zeit mit ihrer Entstehung ließen. Für sie und andere komplexe mehrzellige Organismen war erst durch die stabilisierte Ozonschicht die Zeit reif, um den Schritt an Land zu wagen. Wären die Ozon-Bedingungen schon früher auf demselben Niveau wie vor 500 Millionen Jahren gewesen, wäre womöglich auch ihre Evolution und der Landgang schneller verlaufen, wie das Team vermutet. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2024; doi: 10.1073/pnas.2412898121)

Quelle: Yale University

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